Eisenzeit
Die „Eisenzeit“ heißt deshalb so, weil die Menschen ab ungefähr 1000 v. Chr. ihre Gerätschaften vorwiegend aus diesem Material herstellten. Werkzeuge aus Eisen eignen sich gut zum Schneiden und Stechen, so dass damals auch viele Waffen geschmiedet wurden. So genießt die Eisenzeit nur einen bedingt guten Ruf, weil sie als ein sehr kriegerisches und blutiges Zeitalter gilt.
Die archaisch anmutenden, meist für die Präsentation im Freien konzipierten Stahlskulpturen, bei denen Georg-Fried-rich Wolf bewusst Assoziationen an die Eisenzeit weckt, lassen mit ihren spitzen und länglichen Formen durchaus auch an Waffen denken. Nur richten sich diese nicht horizontal auf menschliche Gegner oder zu erbeutende Tiere, sondern vertikal in die Höhe, suchen gleichsam den Kontakt zum Himmel und zum Kosmos. Das Gefährliche, das potentiell Verletzungen Verursachende, haftet den Skulpturen gleichwohl noch an, erscheint jedoch domestiziert – ganz im Sinne des bekannten Wortes, dass „Schwerter zu Pflugscharen“ werden.
Das verweist auch auf die „zweite“ Eisenzeit, die Industrialisierung, in der seit dem 18. Jahrhundert Eisen und Stahl eine zentrale Rolle spielen, sowohl in der Rüstungsindustrie als auch für zivile Zwecke. Die die edlere Bronze ablösende „Eisenzeit“ in der Kunst begann erst im 20. Jahrhundert, gleichsam verkündet 1932 durch den gelernten Goldschmied Julio Gonzáles: „Es ist höchste Zeit, dass das Eisen kein Mordinstrument mehr ist oder einer nur allzu mechanischen Wissenschaft dient. Diesem Material stehen heute alle Türen offen, so dass es endlich von den friedlichen Händen des Künstlers geschmiedet werde.“ 1 Gonzáles war von Pablo Picasso gebeten worden, ihm bei der Umsetzung von Zeichnungen in plastische Gebilde zu helfen, was Gonzáles zu Skulpturen aus Eisen anregte und Picasso zum Bildhauer machte.
Als eindringliche Hommage an die industrielle Eisenzeit lassen sich dann die gigantischen Oberflächen aus rostigem Stahl sehen, die der US-Amerikaner Richard Serra seit den 1960er Jahren meist an öffentlichen Orten platzierte. Ein Reflex von Serras abstrakter Monumentalität ist bei Wolfs „Eisenzeit“-Skulpturen deutlich erkennbar. Doch verbindet sich das Nüchtern-Industrielle hier mit einem in die Prähistorie und ins Mythologische zurückweisenden Assoziationsraum. So mag man an den Monolithen aus Stanley Kubricks Film „2001 – Odyssee im Weltraum“ (1968) denken, dem ein unmittelbarer Cut von der Vorzeit in die Science-Fiction folgt. Dass das Neue, Zukunftsweisende mit dem Alten kurzgeschlossen wird, zeigt sich auch bei dem ersten elektrischen Schweißgerät, das „Elektro-Hephaistos“ hieß und damit an den berühmtesten Schmied aus der antiken Mythologie erinnerte, der jedoch Hammer und Amboss noch mit der bloßen Hand bedienen musste. Bei Georg-Friedrich Wolf hingegen ist das Vorgehen alles andere als archaisch. Ohne Hydraulikpresse und Portalkran wären seine großformatigen Objekte im wahrsten Sinne des Wortes nicht zu stemmen.
1 Zit. nach: Lexikon des künstlerischen Materials. Werkstoffe der modernen Kunst von Abfall bis Zinn, hg. von Monika Wagner, Dietmar Rübel, Sebastian Hackenschmidt, 2. Auflage München 2010, S. 88.