Kraftfluss
Die Physik untersucht das Wirken von Kräften. Wolfs Schaffen macht das Wirken von Kräften sichtbar. Wir sehen in seinen Kunstwerken die Kraft seines Materials, des Stahls. Und wir erleben, indem wir sein Werk betrachten, wie es auf uns wirkt und dabei seine Kraft entfaltet. „In der Kraft der Kunst geht es um unsere Freiheit“, schreibt der Philosoph Christoph Menke über dieses dialogische Erleben der Kunst. Das ist das Angebot und die Herausforderung der Kunst.
Spuren in Stahl
Das Wörterbuch der philosophischen Begriffe definiert Kraft als, „die Ursache physikalischen Geschehens, insbesondere der Veränderung der Form und des Bewegungszustandes eines Körpers“. Das macht Wolf in seinem Werkzyklus KRAFTFLUSS zum zentralen Thema. Im bearbeiteten Stahl haben die Kräfte, mit denen er das widerstandsfähige Material geformt hat, ihre Spuren hinterlassen. Sie sind im Stahl anwesend. Der Kraftfluss steht nicht still.
Massive Blöcke und bewegter Schwung
In ihrem Kontrast zeigen die KRAFTFLUSS-Werke die gewaltigen Energien, die im Stahl wirken. Massive Blöcke, tonnenschwere Quader sind miteinander verkeilt. Sie sind unverrückbar, doch scheinbar in Bewegung, am Ende einer Erschütterung oder am Beginn zu einem neuen Aufbruch. Neben der Erdschwere schwebt filigrane Leichtigkeit. Meterhohe Profile schwingen im Wind, sie verdrehen, winden, biegen sich als könnte der Stahl fliegen. Beides ist typisch für den Materialcharakter, der bewegte Schwung wie der unbewegte Monolith.
Dank Stahl tragen Brücken, umrunden Supertanker den Erdball. Stahl sichert unseren technikbasierten Wohlstand, und er kann zur furchtbaren Waffe werden. Er steht für unsere Versuche die Naturgewalten zu bändigen, und für unsere Fähigkeit, den Planeten zu vernichten.
Wolf vertraut dem Stahl: „Meine jahrzehntelange Erfahrung hat mich gelehrt, dass es kein `gegen das Material arbeiten` gibt. Nur im Verstehen und Respektieren dieses starken Charakters, kann das Werk gelingen. Auch das ist eine Metapher der Skulpturen meines Kraftfluss-Zyklus.“
Serie „Shipwreck“
Dieses physische Erleben des Kraftflusses thematisiert auch die Serie „Shipwreck“ (2003). Der scheinbar unzerstörbare Stahl erodiert, beginnt zu fließen, bildet im Prozess seiner Zerstörung und Auflösung eigene Formen von organischer Anmutung. Wolf eröffnet damit einen unerwarteten Blick auf sein Material und stellt die vertraute Anmutung und Funktion des Stahls für unsere Gesellschaft radikal in Frage.
Das Wort KRAFTFLUSS meint „auch die Kräfte, die in allen meinen Werken zwischen mir und meinem Material fließen, wenn ich es bearbeite, oder wenn ich mich von der Materie inspirieren lasse“, sagt Wolf.