David für Lwiw
Kunstperformance zum Krieg in der Ukraine
Täglich hören wir vom Krieg in der Ukraine, täglich diskutieren wir die Aspekte von Unterstützung und Anteilnahme. Als Mensch und Künstler bin ich verpflichtet, aktiv zu werden. Anlässlich eines Skulpturenverkaufs komme ich im März nach Lwiw und erlebe die Situation vor Ort hautnah. Im gleichen Atemzug entsteht die Idee dort zu arbeiten, als Künstler dort etwas zu schaffen, wo die Geschichte sich begibt, ein kleiner Teil davon zu sein.
Mein Beitrag ist Kunst zu schaffen, um dem Krieg zu trotzen. Kultur erzeugt Identität, Kraft und Zuversicht in der Krise. Kultur ist es, die uns vom bloßen Überlebenstrieb des Tiers unterscheidet. Kunst ist meine Waffe, sie soll helfen Würde und Hoffnung zu bewahren. Das kann ich, muss ich, als Künstler leisten.
Auf nach Lemberg, das Auto voll mit Werkzeug und Equipment, nicht ohne meinen Schaukelstuhl. So überquere ich zusammen mit meinem Freund und Assistenten Klaus am 08. September die Grenze zur Ukraine.
Dazu war einige Vorarbeit zu leisten. Mein Sammler und Freund, Betreiber eines Kulturzentrums in Lwiw, organisiert Zollformalitäten und Materialbeschaffung, und er vernetzte mich zu Galerien, Stadtverwaltung, Kulturamt, etc. Die Stadt Lemberg empfängt mich mit herzlichem Willkommen, stellt einen tollen Ort zur Verfügung, einen Kranwagen, Film und Presse, etc.
Aber was werde ich schaffen? Welche Skulptur soll es werden?
Ich werde einen „David für Lemberg“ errichten. David besiegt Goliath, eine passgenaue, kraftvolle Metapher auf meine Wünsche für das geschundene Land.
Zwar ist David der Kleinere im ungleichen Kampf, aber mein David soll imposant und präsent dastehen, durchaus nicht zu klein, so meinen auch meine zahlreichen Lemberger Unterstützer.
Jetzt kann das Werk beginnen. Eine schwere Grundplatte, gut justiert und verankert, schon richte ich den ersten Träger auf. Dazu ein Stück Eisenbahnschiene, massiven Vierkant, starke Armier Eisen und reichlich 20er Platte. Ich habe ein skizziertes Konzept, ein paar Anhaltspunkte für Längen und Proportionen, schlank und hoch soll er werden, figürlich ja, aber abstrakt figürlich. Aufstrebende Linien, nach unten verjüngt, in der Höhe leicht auseinanderstrebend, dazu Elemente aus Massivplatte als Andeutung von Körperteilen. Das einzige runde Element abstrahiert den Stein, den David schleudern wird. Seine Entschlossenheit, seinen wilden Blick, stilisiere ich durch pfeilartige, aufstrebend gespreizte Linien aus Moniereisen. Die ganze Körperspannung steht für Angriff auf den gemeinen Aggressor, den es zu überwinden gilt. Jedes Teil muss gut durchdacht sein, genau platziert, solide verschweißt und auf Jahre hin sicher. Einige Teile kann ich am Boden zu Gruppen zusammenstellen, bevor sie der Kranführer hochhebt und präzise einschwenkt. Vieles kann ich erst in der Höhe richtig positionieren, Winkel und Längen beurteilen, dabei das ganze Werk im Blick haben. Dann schweiße ich auf der Leiter, hoch oben, Fallnaht, Steignaht, Überkopf, nicht ganz einfach. Die Funken fallen mir in den Ärmel, jetzt bloß nicht loslassen. Das Teil darf nicht abstürzen, und ich auch nicht.
Dazu das Wetter, der Regen von Lwiw, aber fast täglich kommt nachmittags die Sonne raus. Bei so viel Aktion und Adrenalin merke ich kaum, dass mir vergangene Nacht der Luftalarm den Schlaf raubte.
Diese Intensität des Schaffens und des Werkens kann ich nur für gewisse Zeit auf allerhöchstem Level halten. Mehr als 10-11 Stunden am Tag und bloß keine Pause machen, sonst zieht einen die Erschöpfung herunter. Also immer weiter, nicht nachlassen, Leiter hoch, Leiter runter, am besten zügig und immer den nächsten Handgriff schon im Blick.
Die Anteilnahme der Passanten ist großartig. Ich erkläre mein Werk und wir diskutieren, mit Händen und Füßen. Die Menschen bedanken sich bei mir, das rührt mich sehr an. Die Bürger von Lwiw imponieren mir sehr und sie gefallen mir. Sie trotzen den Unbilden, indem sie kraftvoll und mit Zuversicht ihr Leben bestreiten.
Es war eine gute Idee, hierher zu kommen.
Nach 5 Tagen steht der vollendete „David für Lemberg“ vor mir.